An ihrem Turmfenster steht Schwester Mirabella, in eine Decke gehüllt, eine Tasse Dampftee mit beiden Händen umschlossen. Den Blick halb geschlossen in die Ferne gerichtet. Nebel wabert wie watteweicher Schutz über die steinigen Wege. Leise spricht sie vor sich hin, als Olga das Zimmer betritt: "Es ist an der Zeit, uns zu bewegen... Sieh nur..." Sichtbar: Schützender Nebel für Häuser am Ufer mit leisen Wehklagen. Zwei Menschen, alterslos. Sehnsüchtigkeiten, ein Winken von Ufer zu Ufer. Ein Boot aus Träumen und Fernweh, Sehnsucht und mehr haben sie, mächtiger als Eiche, es liegt im Nebel, ans andere Seelen-Ufer zu gelangen. Ein Rufen, Flüstern und Wehn ist zu erahnen. Jetzt geht er die weißen Stufen aus Wünschen dem Nebel entsteigend, sie kommt auf ihn zu...
Wie schön, was die Nebel von St. Otterowo alles beherbergen.
Olga starrte in den Nebel. Sie sah nichts, erahnte aber. Sie wusste, dass was man nicht sieht, dennoch da sein kann. Schließlich war sie eine erfahrene Frau und kannte sich in St. Otterowo aus. Und sie wusste, dass Neues immer wieder entdeckt wurde in diesem kleinen besonderen Städtchen.
Schw. Mirabella - 23. Jan, 12:53
... Olga steht grübelnd vor dem geschlossenen Palast-Tor, die Hand auf der Klinke. "Lassen Sie St. Otterowo stehen, für die Menschen hier", murmelt sie leise vor sich hin, die Hand auf der Klinke. Langsam nimmt sie die Hand von der Klinke, den Kopf schüttelnd. Nein, denkt sie, das muss man respektieren. Er weiß ja, wo Schwester Mirabella zu finden ist. Bei einer Tasse Earl Grey der Marke Schneck&Kamin und einem guten Wort.
Schw. Mirabella - 21. Jan, 11:14
Der Palast ist geschlossen.
Kossonossow - 16. Jan, 14:56
"Was sollen denn nun die ganzen Buchstaben hier in meinem Salat????"
Maulig schob Kossonossow seinen Teller beiseite.
"Aber Herr," -Hausdiener Wladimir schaute betroffen drein- "morgen ist doch der Beginn des stadtweiten Reimwettbewerbes. Diese Buchstaben sind frisch aus der Suppe gefischt. Aus ihnen ist das Gedicht des Jahres zu reimen."
"Ach, Wladi, Versmaß ist doch langweilig. All diese leichtfüßigen Jamben und so. Lasst den Barden dieses Mal freien Lauf. Alles sei erlaubt. Hauptsache, es ist nicht langweilig", brummelte Kossonossow und nahm sich seine Sonntagsausgabe der "Wahrheit" vor.
Kossonossow - 18. Dez, 17:03
"Eine schöne Geschichte..." murmelte Kossonossow und ließ die Zeitung sinken. Sein Blick ging wieder hinaus aus dem Turmfenster und nahm erneut jene traurige Fernseligkeit ein, die schon seit Tagen jedes Gespräch im Palast verstummen ließ.
Kossonossow - 16. Mai, 13:57
Wie wir von unserer Informandin erfahren haben, lebt Olga. Sie berichtete uns, dass sie höchst selbst von Olga in Erfahrung bringen konnte, dass der Herr Stadtkommandant sowie Schwester Mirabella für ihren Geschmack sich zu viel im Zwiebelturm der Schneckenzucht bzw. im Burggarten der Salatpflege hingegeben und ihre Verpflichtungen für St. Otterowo vernachlässigt hätten. Also hätte Olga ihren Reisigbesen genommen und den Burghof gereisigt und vor sich hingebrummelt. Sie könne dabei immer vorzügerlich meditirilieren. So sei sie zu dem Entschluss gekommen, man müsse Abhülfe schaffen. Sogleich habe sie eine halsbverbrecherische Fahrt mit ihrem Schlitten ins Auge gefasst.
Im Weiteren war unser Reporter vor Ort dabei. Hier seine Zeilen, noch glühend heiß:
„Herr Stadtkommandant“, hörte man die Stimme Schwester Mirabellas.
Eine völlig verdatterte drein blickende Schwester Mirabella fand der Herr Stadtkommandant auf dem Boden sitzend inmitten ihrer ausgebreiteten Röcke vor. Auf ihr lautes Rufen war er die Treppen aus seinem Palast hinunter geeilt, hörte sich doch die dort rufende Stimme gar sehr besorgt und in Not an. „Schwester Mirabella?“, suchend blickte er sich um. „Hier“, kam es kläglich. „Ach, was machen Sie denn dort?“, reichte er ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. Ein Kichern schwebte durch die Lüfte. Beide blickten sich suchend um, niemand war zu entdecken.
„Was ist geschehen, Schwester Mirabella?“, fragte in seiner das Kommandantieren gewöhnten Art, der respektable Stadtkommandant. „Ich weiß nicht…“, antwortete eine leicht verwirrte Schwester Mirabella etwas zaghaft. „Ich wurde von Olga in den Schlitten verfrachtet, anders kann ich es nicht nennen. Sie schimpfte wie ein Rohrspatz mit mir. Sie kennen Sie ja. Von wegen, so ginge das ja nun wirklich nicht mehr. St. Otterowo müsse wohl einen St. Otterowo-Gedenktag einführen, damit der Schönheit und Würde unseres Städtchens respektvoll entgegengekommen wird. Und jetzt hopphopp, ja, so sprach Sie mit mir, in den Schlitten. So beschäftigt kann der Herr Stadtkommandant gar nicht sein, dass er keine Zeit hat für mich, Olga die Zweit-Älteste von St. Otterowo.
Dann schlittete sie los. Und wie sie schlittete. Die Schneekanone, die sie vorne am Schlitten befestigt hatte, stob den Schnee vor sich her und sie schoß über die selbst erschaffene Piste. Ja, und dann ausschnaufte sie und ich dachte, das war’s. Und dann rief ich Sie. Denn nur Sie konnten mir helfen, das wusste ich. Warum sonst hätte mich Olga hierher gebracht? Auf ihren Rat ist immer Verlass. Ja, und dann als Sie das Fenster zugeknallt hatten, nachdem Sie nur für mich vernehmen ließen: 'Ich komme!', saß ich plötzlich auf dem Boden und Olga war samt Schlitten weg...“. Beide sahen sich um. Keine Olga da. Nur ein Kichern, ein wohlbekanntes, hing in der Luft.

Liebe Leser der St. Ottorowoer Wahrheit, bilden Sie sich selber ihre Meinung. Ist es nicht eine gute Seele, die Olga? Eine gewitzigte Schlitten-Kosmonautin? Eine weltgewandeste Diplomatin der herzerfrischensten Art.
Schw. Mirabella - 16. Mai, 12:27
Olga, die gute alte Seele von St. Otterowo, mit ihrem Reisigbesen, ist verstorben. Nach ihrer letzten Fahrt.
Sie fuhr Schwester Mirabella auf ihrem Schlitten, jaha, auch im Frühling, Richtung Stadtkommandantenpalast. Dort, vor der Stadtkommandantur tat sie ihren letzten Schnaufer. Nun müssen die beiden alleine ihr Glück in die Hand nehmen. Genug gelernt dürften sie ja wohl von Olga haben.
Der St. Otterowoaner Stadtgeist habe sie selig.
Schw. Mirabella - 10. Mai, 15:43
... ist geschlossen. Wegen eines mentalen Trauerfalls.
Kossonossow - 10. Mai, 11:04
Sehr geschatzter Herr Stadtkommandant Kossonossow,
in Anbetracht der Großschneckenlage in unserem geliebten St. Otterowo und den Umstand der ungespritzten Salatblätter berücksichtigend, bitte ich Sie, sehr wohl begeistigter Herr Stadtkommandant, die Schnecken und Salatblätter, namentlich DIE Schnecke und DAS Salatblatt von St. Otterowo unter Naturschutz zu stellen. Sozusagen schützend Ihre Hände über Ihnen, nein, ihnen auszubreiten zwecks Abwehrung äußerer und innerer Schädlingseinflüsse.
Meine Langrockigkeit könnte z.B. schon einmal den Schneckenkorn abwehren. Dieses wenig vergeistigte Getränk könnte als Begrüßungstrunk an die Gäste in unserem schönen Vorort So-Halt ausgegeben werden, wohlweislich in kleinen Dosen, nein Gläserchen. Dann dürfte der zugegeben etwas abgegriffene Prospekt unseres schönen Städtchens nicht so sehr ins Auge fallen, eher beschönigt auffallen.
Mit diesen bescheidenen Vorschlägen verbleibe ich
Ihre im Burgzimmer verharrende
Schwester Mirabella
----------------------------------------------------------------------------
Hochroteohrenwerteste Schwester Mirabella,
noch immer nicht sind alle grauen Wölkchen über dem Kommandantenpalasthimmel verzogen - im Gegenteil - es werden stetig mehr und neue. Mir scheint, dass es die Spitze meines Zwiebelturmes ist, an der sie sich aufhängen und kreisend Feuchtes spenden.
Nun denn - solange dies auch so ist, wird an ein Vertrocknen von Schnecke und Blatt nicht zu denken sein und es besteht keinerlei Gefahr, dass die nunmehr wohlgeschützte Schnecke dürrebedingt zum Korn greift.
Von einer kollektiven Bestäubung - äh - Vergiftung- unserer wenigen Gäste in der Stadt möchte ich indes abraten. Insofern - so schlage ich vor - bleibt das/der Schneckenkorn im Giftschrank.
mit verzüglicher Großachtung verbleibt
euer
Kossonossow, Stadtkommandant
----------------------------------------------------------------------------
Sehr rotbeschenkter Kossonossow,
vergessen für einen Moment die Wölkchen und so blicke ich der Spitzenfeuchte
offenen Auges aus meinem tiefen Turm entgegen.
Ich bin erleichtert, das darf ich Ihnen versichern,
droht doch keine Vertrocknung dem zarten Blatt samt Schnecke. Ich fürchtete
ein wenig, Blattsalat stünde bevor.
So verbleibe ich wieder einmal
Ihre
Hingebungsvoll gebannt auf Euren Zwiebelturm schauende
Schwester Mirabella
----------------------------------------------------------------------------
Sinnenbelockteste Schwester Mirabella,
seid dessen gewiss: Es gibt keinen Blattsalat. Der gemeine blattsalat, wie er in unseren Breiten denn gepflegt und kultiviert wird, verträgt sich nicht mit lollo rosso. Deswegen ist mein Mundschenk Ewgenij Pawlowitsch angewiesen, dererlei Blätter keineswegs zu vermischen und den krausen südländischen Aufwuchs in seinem Beet links liegen zu lassen...
Aufgeklärten Blickes schauend
Euer
Kossonossow, Stadtkommandant
----------------------------------------------------------------------------
Augenschmausiger Kossonossow,
Ewgenij Pawlowitsch sei gepriesen, möge er euch nur die zartesten meiner Blätter darbieten, die wohl behütet und von mir persönlich mit Tautropfen, nächtens eingefangen, befeuchtet werden. In meinem Burggarten. Bei Vollmond. Und nicht nur dann.
Seid Ihr gar unbesorgt, es werden keine gemeinen Wald- und Wiesenschnecken an zarten Blättchen knabbern, dank eurer Blatt- und Schnittsalat-Versicherung.
Neigt euch nur vertrauensvoll den samtenen Blättchen aus meinem Burggarten entgegen, zartfühlend und hungrig.
Eure
Augenschauend versinkende
Schwester Mirabella,
----------------------------------------------------------------------------
Meine zartblättrige Schwester Mirabella,
habt Dank für eure hingehaucht blütenzärtlichen Worte.
Ich verhehle nicht, dass mich eurer Bemerken zum nächtlichen Tau-Benetznis doch sehr in wallende Gedanken hüllte.
Nahebei geht mir die letzte Lust zum Administrieren ab.
Andererlei Lust, geht mir hingegen nah...
Eurer träumend
Kossonossow, Stadtkommandant
----------------------------------------------------------------------------
Traumgeprüfter Kossonossow,
überlasst eurem zweiten Untersekretär Abramowitz für heute das
Administrieren. Zum Wohle der Salatschnecke.
Ich erlaube mir zu gestehen, dass eure Worte gleich Tautropfen perlend hinab
gleiten. Tief. In meine Träume.
Traumbetaut eurer wallend
Schwester Mirabella
----------------------------------------------------------------------------
Die Ottorowoer Wahrheit meldet sich...
Dem Antrag auf Einstellung in den modernen elektronischen Tautropfenbeförderer, in diesem Fall den Briefwechsel zwischen dem sehr ehrenwerten Herrn Kossonossow, Stadtkommandant von St. Otterowo und Schwester Mirabella vom Orden der Heiligen verbrannten Rechte, ist stattgegeben worden. Wie schon fürderhin und vor Stunden in der
> nachmittäglichen Telefonkonferenz zwischen dem Stadtkommandanten, Schützer von besonderen Schnecken und der Schwester, Hüterin von außergewöhnlichen Salatblättern, äußerten sich beide einverstanden. Schwester Mirabella war angetan über den Vorschlag des Stadtkommandanten.
Nadeschda Kolchowskaja, Chefredakteurin der St. Otterowoer Wahrheit
----------------------------------------------------------------------------
Was dann im Palast geschah...
"Einstellen!!!!"
---
"Was soll ich einstellen, Herr Kommandant? Radio Eriwan - wie immer?", entgegnete Abramowitz resigniert... Dass der Kommandant aber auch immer so einsilbig war....
---
"Nein, den Briefwechsel. Sie hat 'ja' gesagt, Abramowitz. Sie ist einverstanden....!"
"Isrecht" erwiderte, Richtung Anschlagtafel davonschlurfend, Abramowitz.
Kossonossow - 8. Mai, 17:45
"Ach," brummelt die gute Seele von St. Otterowo, "was machen sie denn nur mit dem schönen St. Otterowo? Meinen das sei Frühjahrsputz. Stattdessen sollten sie mir das überlassen, davon verstehe ich etwas. Sie nicht. Sollen sie sich doch wieder ihren schönen Beschäftigungen für St. Otterowo widmen." Grummelnd und mit dem Feudel wedelnd fegt die gute Olga durch die Gegend, völlig die schönen bunten Blümchen ignorierend. Zwischendurch linst sie heimlich Richtung Stadtkommandantur und Burg Mirabellenstein, wo hinter Vorhängen die Besagten hin und her lugen.
Schw. Mirabella - 14. Mär, 15:35